Donnerstag, 30. November 2017

LUZERN: MANON

diese oper ist zu kurz. ja, das gibt es. die unmögliche liebe einer lebenslustigen jungen frau, die ins kloster soll, und eines theologiestudenten, ihr unaufhörliches hin und her zwischen rauschhaftem leben und wahrer liebe, ihre immer wieder schmerzhaften trennungen wegen echten und falschen gefühlen und wegen wertvollen und falschen freunden – das alles braucht zeit, um sich nachvollziehbar zu entwickeln. diese zeit gönnte schon jules massenet seiner „manon“ (und ihrem publikum) nur knapp, das geht hopp-hopp vom liebhaber zum nebenbuhler, vom hoch zum tief, vom ballsaal ins priesterseminar, von der provinz nach paris und wieder zurück. und was machen dirigent yoel gamzou und regisseur marco štorman am luzerner theater? sie kürzen noch mehr, lassen diverse chorszenen, ballette und zwischenspiele ebenso weg wie bühnenbilder und blicken in einer unterkühlten neon-welt spotartig auf dieses leben und diese liebe: ein „manon“-konzentrat, das die komplexe geschichte dieser frau nur mehr erahnen lässt. zum glück entfaltet massenets musik mit ihren wirkungsvollen motiven und emotionalen wechselbädern selbst in dieser kastrierten fassung eine phantastische dramatische wucht. und zum glück schafft es das hervorragende junge ensemble, diese zum kammerspiel reduzierte lyrische tragödie immer wieder kraftvoll und glaubhaft aufzuladen: nicole chevalier als manon, diego silva als des grieux und bernt ola volungholen als manons cousin lescaut sind als permanente wandler zwischen ihren überschäumenden träumen und verzweifelter einsamkeit sowohl stimmlich wie auch darstellerisch eine spitzenbesetzung. der zuschauerraum des luzerner theaters war bei dieser vorstellung halb leer. der halb volle teil applaudierte begeistert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen