Montag, 25. Januar 2016

MÜNCHEN: MITTELREICH

die geschichten und die gefühle von drei generationen: in „mittelreich“ verknüpft und verdichtet josef bierbichler meisterhaft die grossen themen und neurosen des vergangenen jahrhunderts – hartes bauernleben, antisemitismus, kriegstrauma, missbrauch. aus diesem grossen familienroman macht die regisseurin anna-sophie mahler an den münchner kammerspielen ein grosses musiktheater. die beerdigung des alten seewirts nimmt sie als ausgangspunkt, um die reichen erzählstränge gleichsam von hinten aufzulösen, mit dem vom jungen vokalensemble münchen gesungenen brahms-requiem als leitmotiv: selig sind, die da leid tragen. in einem in die jahre gekommenen wirtshaussaal, der bierbichlers „fischmeister“ in ambach nachempfunden ist, entwickelt sich ein stimmiges und mehrstimmiges theater der assoziationen. die figuren überlagern sich, die jahre überlagern sich, die gedanken überlagern sich. stefan merki, steven scharf und thomas hauser teilen sich die beiden rollen des seewirts und seines sohnes semi fliessend, erzählend, spielend, auch singend. und annette paulmann ist sowohl die kammersängerin, die den talentierten jungen vom land der kunst zuführen will, als auch die wirtin und mutter, die die führung übernimmt, als ein sturm das dach und des gatten innere ruhe wegfegt. in einfachsten konstellationen – mal sitzen alle um den einzigen tisch, mal steht einer in der tiefe des raumes am fenster – findet bierbichlers pralle sprache genauso platz wie die tiefe melancholie dieser grossen bayern-saga. und immer wieder brahms: selig sind, die da leid tragen. nach den tränen die freude? wirklich?

Sonntag, 24. Januar 2016

MÜNCHEN: WER HAT ANGST?

„es war der rasenmähermann.“ es ist eine erotische phantasie aus längst vergangenen tagen, die martha vor ihrem gatten und ihren gästen hervorkramt, alle sturzbetrunken. und wie bibiana beglau für diesen rasenmähermann ihre stimme in die tiefe kippt, ein r ums andere rollt und die silben dehnt, das hat etwas urkomisches und beängstigendes zugleich. edward albees „wer hat angst vor virginia woolf?“ ist mittlerweile 54 jahre alt, aber als prototyp des modernen ehekriegsdramas immer noch erstaunlich frisch. wenigstens mit der beglau als giftschlange martha, die ihren gatten permanent erniedrigt und verletzt und das junge ehepaar, das zum nächtlichen absacker vorbeischaut, mehr schockiert als beeindruckt. martin kušej stellt die vier am münchner residenztheater auf einen quer über die bühne gedehnten weissen laufsteg: hier wird gesoffen – blackout - und gesoffen und intrigiert und – blackout – gevögelt. davor ein riesiger scherbenhaufen aus whisky- und cognacgläsern und -flaschen, dahinter eine weisse wand. da bleibt bei allem darstellerischen furor (neben beglau norman hacker als zynischer gatte, nora buzalka als honey und johannes zirner als nick) wenig tiefe, optisch nicht und psychologisch nicht. viel gepflegte flachmalerei, viel gehobener boulevard. und wenn auf diesem schmalen und brutal ausgeleuchteten schlachtfeld der illusionen und verpassten chancen gegen ende plötzlich doch noch echte gefühle auftauchen, muss man nach dieser überdosis alkohol mit dieser überdosis kitsch erst einmal fertig werden.

Freitag, 1. Januar 2016

WROCŁAW: KULTURHAUPTSTADT

wrocław/breslau. kulturhauptstadt europas. ab heute. polen. ausgerechnet jetzt. dranbleiben.