Sonntag, 27. September 2015

MÜNCHEN: LULU, LABYRINTHISCH

ein labyrinth aus glas verstellt die riesige bühne der bayerischen staatsoper. darin tanzend und taumelnd: die gesellschaft. alkohol, geld, triebe, kampf der geschlechter, die gesamte choreographie des lebens. davor, auf knappstem raum an der rampe, ein paar quadratmeter nur und ein paar stühle, lässt dmitri tcherniakov die tragödie der lulu spielen, "die tragödie von der gehetzten frauenanmut" nannte sie karl kraus. dieses fragile kabinett ist als visuelles konzept ebenso überzeugend (lulus lust, leidenschaft und leiden als spiegelbild der wirklichkeit) wie für die dauer von vier stunden doch eher redundant und in seiner räumlichen beschränktheit ermüdend. die dramatische wucht des abends, seine sprengkraft, entwickelt sich umso mehr im orchestergraben: kirill petrenko zieht das bayerische staatsorchester - wieder einmal - in einen sog. die todbringende schönheit lulus, die projektionen der ihr verfallenen männer, das alptraumhafte der beziehungen, zeugung und zerstörung - alles, was in alban bergs komplexer melodik angelegt ist, voller dynamik und dunklem zauber, wird hier aufs prächtigste ausgestaltet und zu einem musikalischen rausch gesteigert. marlis petersen als lulu und bo skovhus als dr. schön und jack the ripper bringen stimmlich genau das mit, was die partitur und die rollen von ihnen fordern: das obsessive, im anziehenden wie im abstossenden, das lang anhaltend obsessive. alle lust will ewigkeit.

Donnerstag, 24. September 2015

ZÜRICH: MANN/FRAU

"die welt ist wieder männlicher geworden, wir brauchen eine neue feministische welle." stephan kimmig, 56, regisseur, der am zürcher schauspielhaus zurzeit schillers "jungfrau von orleans" inszeniert (im "tages-anzeiger").

Samstag, 12. September 2015

LUGANO: EIN HERZ AUS GRANIT UND BIRNBAUMHOLZ

das kkl sei das vorbild gewesen für ihr lac (lugano arte e cultura), sagen die luganesi gerne. da muss man als luzerner schon mal kurz vorbeischauen. lugano im mildesten herbstlicht, giornata dell'inaugurazione. "il lac è il nuovo cuore pulsante di lugano, crocevia culturale tra il nord e il sud dell'europa." das pulsierende herz besteht zunächst einmal aus viel grünem granit (aussen) und viel birnbaumholz (innen). den granit und das holz kombiniert der tessiner architekt ivano gianola oft und nicht immer nachvollziehbar mit metall und/oder glas, dazu da ein kühnes fenster und dort ein labyrinthischer korridor. nur: kein durchgängiges konzept, keine klare geste. der birnbaumholz-konzertsaal atmet den kühl-abweisenden charme der grossen halle des volkes in peking. für 210 millionen hätte das lac ja durchaus auch ein wurf werden können. immerhin: die lage am see, die tolle piazza, die ins ensemble integriert ist, und das grosszügige, lichtdurchflutete atrium haben das potenzial, das lac tatsächlich zum treffpunkt und zur crocevia culturale werden zu lassen. am ersten tag fühlen sich die luganesi zwischen granit und nino rota und birnbaumholz und gioacchino rossini ganz offenkundig sehr wohl. erste anzeichen einer herzensangelegenheit. das wäre dann die wirkliche parallele zum kkl in luzern.