Montag, 16. Februar 2015

MÜNCHEN: MARIA STUART

„aha“, sagt sie trocken, als man ihr kundtut, dass sich auch ihr letzter vermeintlicher vertrauter abgesetzt hat („der lord lässt sich entschuldigen, er ist zu schiff nach frankreich“). aha. dann bricht bei königin elisabeth von england die ganze einsamkeit und verzweiflung durch, in die sie sich mit dem todesurteil gegen maria stuart manövriert hat, die königin von schottland, ihre cousine und rivalin. fassungslos und bleich steht sie allein auf der bühne der münchner kammerspiele, ein unkontrolliertes zucken überwältigt ihr gesicht, minutenlang und immer heftiger, bis sich der eiserne vorhang vor ihr senkt. ein letzter grossartiger auftritt von annette paulmann, deren elisabeth nur vordergründig eine starke und mächtige frau ist; hinter der fassade bewegt sie sich unsicher und kommt im netz aus eifersucht, intrigen und demütigungen kaum mehr zu luft – ihr enggeschnürtes, hochgeschlossenes, schrecklich gelbes königinnenkleid ist mehr korsett als prunk. mit brigitte hobmeier ist auch die stuart erstklassig besetzt, dünnhäutig und schwach und doch bis zur letzten minute ihres lebens von einer moralischen energie beseelt, die sie nicht triumphieren, aber doch immer wieder an menschen glauben lässt. regisseur andreas kriegenburg sperrt die beiden gegenspielerinnen und das männliche personal in einen bunker aus betonwürfeln, einzig die sprache sorgt für dynamik zwischen den figuren. die sprache so sehr im zentrum, ein mutiger entscheid, da sich ganz offenkundig auch grosse schauspieler in schillers komplex gedrechselten versen nicht mehr einfach heimisch fühlen. aha.

Sonntag, 15. Februar 2015

MÜNCHEN: ERFOLG

bauen, brauen, sauen – das sei das leitmotiv gewesen, damals in münchen, als lion feuchtwanger 1930 seinen roman „erfolg“ veröffentlichte – ein gewaltiges panorama der abgründe in bayerns seele und in bayerns politik. diesem 750-seiten-buch und seinem autor widmete das münchner literaturhaus jetzt eine exzellente ausstellung: das personal des romans wird hier lebendig, das in jeder beziehung wilde leben der zwanziger jahre und nicht zuletzt auch die situation des jüdischen schriftstellers in diesem zunehmend schwierigeren umfeld. in seiner autobiografie notierte er in der ihm eigenen mischung aus bitterkeit und sarkasmus: „die stadt zählte im letzten jahr, das der schriftsteller l.f. in ihr verbrachte, 137 begabte, 1012 über mittelmass, 9002 normal, 537´284 unternormal veranlagte und 122´963 voll-antisemiten. es beweist die ungewöhnliche vitalität des schriftstellers l.f., dass er in der luft dieser stadt 407´263´054 atemzüge tun konnte, ohne an seiner geistigen gesundheit erkennbaren schaden zu nehmen.“ was für ein erfolg.