Montag, 23. September 2013

MÜNCHEN: DIE TOTEN AUGEN VON GAUTING

es gibt in münchen die alte pinakothek und die neue pinakothek und die pinakothek der moderne. sollte reichen, sollte man meinen. reicht aber offensichtlich nicht, denn da gab's und gibt's auch noch die pläne für die komische pinakothek, ein münchner satire-museum, für das loriot hätte pate stehen sollen. hätte, der tod war schneller. dass es auch ohne komische pinakothek geht, beweist jetzt das münchner literaturhaus mit einer überaus charmanten loriot-ausstellung: "spätlese", unbekanntes, halbprivates und privates aus dem nachlass des humoristen ("ein leben ohne mops ist möglich, aber sinnlos"). wie er zum beispiel die deutschen im auftrag der post auf die umstellung von den vier- auf die fünfstelligen postleitzahlen vorbereitete; wo sonst gibt's mehr fürs gleiche geld? ein philosoph des alltags, hintergründig und verspielt - und manchmal auch einfach schräg bis in den abgrund: mit gästen in seinem haus drehte er mal spontan eine verwackelte edgar-wallace-persiflage, wo schon der titel das ganze grauen erahnen lässt: "die toten augen von gauting". blut, schwarz-weiss. wer da noch ruhig schlafen kann. wie wär's übrigens mit einer pinakothek des horrors? und loriot als pate?

Donnerstag, 12. September 2013

MÜNCHEN: PAPER WEIGHT

während die szene gerade mal wieder intensiv bis erbittert diskutiert, ob print morgen oder übermorgen untergeht, ob mit getöse oder nur mit gejammer, präsentiert das haus der kunst in münchen eine hübsche kleine ausstellung, die zeigen will, dass papier gewicht hat: paper weight. gewicht und zukunft. in zwei räumen stehen überdimensionale und ausgarnierte doppelseiten von 15 unabhängigen und stilbildenden magazinen, die alle in diesem jahrtausend gegründet wurden und die alle, egal ob sie sich design, sex, essen oder architektur widmen, prächtig pendeln zwischen verführung und manifest. sinnlich und politisch sein, das ist ihr erfolgsrezept. damit will so ein schweres magazin ein anker sein in einer flüchtigen welt. und es hat tatsächlich welche drunter, über die man sich freut, weil es sie schon längst geben sollte. „apartamento“ zum beispiel, ein magazin übers wohnen: keine hochglanzpostille mit aseptischer architektur, keine unbelebten wahnsinnsräume, sondern lauter behausungen mit menschen aus aller welt, die im schlafzimmer gerade den neuen bh anprobieren, in der küche die brotzeit für den hund präparieren oder ziemlich unbeobachtet auf ihrem lieblingssofa lümmeln. diese architektur lebt, diese bildstrecken inspirieren mehr als alle kunst- und wohnkataloge. natürlich ist „apartamento“ im museumsshop längst ausverkauft.

Sonntag, 1. September 2013

LUZERN: DIE WALKÜRE (OHNE REGIE)

luzern spielt bayreuth. das lucerne festival bietet wagners „ring“ komplett, vier abende, currywurst und flammkuchen in den langen pausen, weiss gedeckte tische vor dem kkl, b-promis im a-outfit. wir gönnen uns „die walküre“ (nicht nur weil man den walkürenritt einmal im leben live erlebt haben muss). angesagt ist eine konzertante aufführung, „weil die sänger dann eine freiheit bekommen, die sie auf der bühne nie haben können. diese freiheit verstärkt ihre erzählkraft.“ dies versprach jonathan nott vorab, der frühere chef des luzerner sinfonieorchesters, der jetzt mit seinen bamberger symphonikern diesen wagner-marathon absolviert. irgendwie müssen ihn die sänger missverstanden haben: sie singen nicht einfach konzertant, sondern bewegen sich vor dem orchester, deuten szenen an und liefern ihre handelsüblichen posen, gesten, blicke. wenn zwischen sieglinde (meagan miller) und ihrem zwillingsbruder siegmund (klaus florian vogt) eine zarte liebe erwacht, schleichen sie auf dem podium hin und her wie hänsel und gretel im wald. theäterle. so spielen opernstars, wenn kein regisseur und kein konzept sie bändigen. das ist nicht konzertant, sondern ärgerlich, richtig ärgerlich! und sonst? nott erzählt die geschichte um machtstreben und liebesverzicht in schönen, strömenden farben, taucht in die emotionen ein, entwickelt die grossen bogen, lässt die kleinen motive glänzen – und kämpft zwischendurch immer wieder mit einer unpräzisen und retardierten blech-sektion, die der aufgabe nicht gewachsen ist. ganz ist luzern noch nicht in bayreuth angekommen.