odi
tu gli accenti di morte? die wahrsagerin ulrica kniet in einem kreis aus kerzen
und prophezeit gouverneur riccardo di warwick mit bebender stimme, dass seine
liebe zur frau seines freundes und beraters renato mit seinem tod enden wird.
hörst du die geräusche des todes? riccardo lacht nur über die angedrohte ermordung
und die instrumente im orchestergraben lachen mit. doch geisterhaft tragen
schwarze männer schwarze särge in die szene, immer mehr: das lachen kann den
tod nicht fernhalten. mit geradezu psychoanalytischem zugriff illustriert die
bulgarische regisseurin vera nemirova den „maskenball“ von giuseppe verdi am
theater basel und schafft für die unausweichliche eskalation dieser dreiecksbeziehung
bilder von höchster intensität. politische und private fassaden stürzen ein; die
in der musik bereits angelegte fallhöhe von den anfänglichen opera-buffa-elementen
zur schwärzesten tragödie wird dadurch atemberaubend. besser kann man das
verdi-jahr nicht einläuten. wenn solistinnen und solisten (was für ein ensemble!)
nicht nur ihre stimmen dramatisch aufzuladen vermögen, sondern spannung auch in
jede einzelne personen-konstellation zu legen verstehen, dann wird oper zum
thriller. als riccardo beim lyrischen zwischenspiel im 3.akt aus seiner
bostoner stadtvilla auf die leere strasse stürzt, unterwegs zum maskenball, fällt
sein blick plötzlich auf ein einsames kind, stumm wie ein engel, auch unterwegs
zum maskenball. es ist als tod verkleidet. odi tu gli accenti di morte?
Sonntag, 16. Dezember 2012
Montag, 10. Dezember 2012
ZÜRICH: HOMOKIS HOLLÄNDER-SPUK
was
haben sich die zürcher gefürchtet vor ihrem neuen opernhaus-intendanten andreas
homoki. irritation, provokation, agitation – auf alles haben sie sich eingestellt.
und jetzt dies: bei seiner ersten eigenen première, „der fliegende holländer“
von richard wagner, bleibt homoki überraschend konventionell. das radikalste in
seiner klugen inszenierung, die sich auf die inneren stürme konzentriert, ist
der verzicht auf jegliche seefahrer-romantik. hier spielt die handlung in einem
handelskontor zur kolonialzeit, viel schweres holz, ledersessel, bürolisten-inventar
und über allem eine riesige afrika-karte. senta (anja kampe) verzweifelt an
diesem spiessigen reeder-mief und sehnt sich nach erlösung durch den durch
sagenwelt und weltmeere irrenden holländer. bryn terfel (zürcher debut!) ist
das ereignis des abends. als wäre johnny depps captain sparrow in die jahre und
in die pfunde gekommen, geistert dieser holländer durch sentas träume, taucht
plötzlich auf, ist plötzlich weg, auch er ein auf erlösung hoffender, das
phantom dieser oper. bryn terfel gestaltet mit seinem wuchtigen bassbariton
jede silbe einzeln, eine stimme mit tausend farbnuancen. weltklasse. sehr
differenziert geht auch der junge pariser dirigent alain altinoglu ans werk;
die kammermusikalische transparenz interessiert ihn genauso wie der üppige orchesterklang. weil homoki zwischendurch auf gag-niveau fällt (uiuiui, ein
negerhäuptling…), entwickelt dieser spuk trotzdem nicht den ultimativen sog,
sondern bleibt ein weihnachts(grusel)märchen für erwachsene.
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