Montag, 10. September 2012

LUZERN: LA CLEMENZA DI TITO

der römische kaiser titus betritt die szene. in einem strahlendweissen brautkleid wirkt er wie ein vitaminarmer, verzweifelter transvestit. eine szene später gibt er den schwarzgewandeten fernöstlichen kampfguru. und danach zeigt er sich auch noch als nickelbebrilltes lateinlehrerchen. aber hallo?! die zahllosen optischen und dramaturgischen irritationen, mit denen die bulgarische regisseurin vera nemirova am luzerner theater arbeitet, lassen darauf schliessen, dass sie mit diesem titus und/oder seinem darsteller utku kuzuluk nicht wirklich klar kommt. zu ihrer entlastung: mozarts stringenteste oper ist „la clemenza di tito“ tatsächlich nicht; herrschertugenden zu preisen, und das auch noch als auftragswerk zur krönung eines herrschers, war nicht eben die dankbarste aufgabe. trotzdem geizt er nicht mit raffinierten emotionalen kulminationspunkten, zu denen frau nemirova anfangs ein paar soft-erotik-nümmerchen auf dekorativ hingestreuten roten rosen drappiert: entschieden zu harmlose bilder für einen mörderischen mix aus intrigen und verschwörungen. erst im zweiten akt, wo zunächst die gefühle und dann die politische lage definitiv ausser kontrolle geraten, bevor titus seine milde walten lässt, erst da schafft sie den anschluss an die intensität der musik: da macht sie aus dem mozart-plot einen richtig guten luzerner „tatort“, spannend, bewegend, berührend. das, immerhin, schafft nicht jeder. das luzerner sinfonieorchester unter howard arman liefert dazu einen soundtrack von geradezu elektrisierender präsenz. und die vielen neuen jungen stimmen im ensemble machen lust auf mehr.   

Freitag, 7. September 2012

MÜNCHEN: GELD UND GEIST UND RINGSGWANDL

er redet wie ein senior mit einem 500-kubik-rollator: der bayerische vollblut-und-vollgas-künstler (musiker, kabarettist, autor) georg ringsgwandl. „reden wir über geld mit…“ heisst eine endlos-serie im wirtschaftsteil der süddeutschen zeitung - und ringsgwandl lässt sich geradezu leidenschaftlich auf das thema ein und gewährt abgrundtiefe einblicke in den kulturbetrieb. vor gut 20 jahren gab der heute 63jährige seinen job als arzt („hier ein infarkt, da eine lungenembolie“) auf, weil ihn die kunst definitiv mehr reizte als die spital-karriere: „die sicherheit birgt den virus der verblödung in sich. sie macht eben nicht menschlicher oder geistig reger. die unsicherheit wirkt wie eine konstante lebensinjektion.“ wer dann allerdings dem erfolg zuliebe den charakter über bord kippe, der werde vom schicksal aufs übelste bestraft: „ich kenne musiker, die im rock´n´roll nichts wurden und deshalb auf zillertaler schürzenjäger machten. die sind bitterlich gescheitert. auch kommerzielle volksmusik muss man mit überzeugung und seele machen. du kannst den leuten nichts vormachen.“ er geht mit seinen berufskollegen hart ins gericht: „die sogenannten künstler sind oft abwegig geldgeil. die gesellschaft verehrt sie als inbegriff des besseren menschseins, während sie den bankdirektor als schwein betrachtet. dabei sind bankdirektoren integere, anständige leute im vergleich zur masse der künstler.“ ja, und was macht dieser künstler, wenn das geld dann einmal da ist, aber der erfolg weg? „dann hockt er mit seinen millionen in starnberg und schaut mit seiner tussi auf den see raus.“ er könnte einem wirklich leid tun, der schöne starnberger see.